Die Menschen sind krisenmüde. Es rappelt in vielen Teams. Viele Menschen und viele Unternehmen sind belastet.

Erst kam Corona – und hat uns lang genug in Atem gehalten. Wie ein böser Alptraum kommt mir das im Nachhinein vor, dass wir alle uns nicht mehr umarmen sollten, Abstand das oberste Gebot war und wir z.T. mehr oder weniger eingesperrt zuhause saßen. Als dies endlich sukzessive vorbei war und Vieles wieder möglich wurde, gab es ein sichtliches Aufatmen. Überall war der Wunsch nach Normalität und Leichtigkeit zu spüren. All das wieder tun können, was man vorher nicht durfte. Wieder unbeschwert sein.

Und dann kam unmittelbar der Ukraine-Krieg, steigende Energie-Preise und Inflation. Der Klimawandel zeigte und zeigt immer stärker seine Folgen – klar ist, wir können nicht einfach weitermachen. All das kam gefühlt obendrauf und die Dinge fühlten sich gar nicht leicht an. Ein banales Beispiel: Erst konnte man nicht schwimmen und in die Sauna gehen, weil Corona war. Und dann, als alles wieder öffnete, wurden überall die Temperaturen so abgesenkt, um Energie zu sparen, dass man hätte gehen können, es aber nicht mehr wollte. Von Entspannung keine Spur. Weiter galt es durchzuhalten; irgendwie die Zeit überstehen; Lösungen finden.

Wir sind gut über den Winter gekommen. Doch viele Menschen sind in finanziellen Sorgen; die Auswirkungen der Inflation sind überall, für viele sehr handfest zu spüren. Der Arbeitskräftemangel scheint durch Corona über Nacht manifest. Kaum ein Unternehmen, kaum eine Organisation, die nicht klagt darüber, dass Stellen unbesetzt sind. Die, die da sind, ächzen unter der Arbeitsbelastung, die auf weniger Schultern verteilt werden muss.

Und langsam werden die Nachwehen all dieser Entwicklungen bemerkbar. Untersuchungen zeigen: Seit der Pandemie fühlen sich viele Menschen emotional gestresst. Unsicherheiten, finanzielle Ängste, die Angst vor Herausforderung und Einsamkeitsgefühle haben zugenommen, so die Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie 2022.  Psychische Belastungen, Burnout, Depressionen und Überforderung sind bei den Beschäftigten deutlich angestiegen, zeigt die BGM-Studie „Whatsnext – gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt“ und führt dies neben den o.g. allgemeinen Belastungen auf Arbeitsverdichtung, die Zunahme von Arbeitsgeschwindigkeit und Komplexität von Aufgaben durch die Digitalisierung und hybride Arbeitsweisen zurück. Entsprechend steigt auch die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Ursachen.

Andere Studien zeigen, dass eine junge Generation heranwächst, die ohnehin nicht mehr bereit ist, alles mitzumachen, Hauptsache, der Arbeitsplatz bleibt erhalten. Eine Forsa-Studie von Xing konstatiert, dass fast die Hälfte der Jüngeren gerade bereit wäre, den Job zu wechseln. Dabei spielt ihnen der Fachkräftemangel in die Hände: Sie können davon ausgehen, dass sie mit Kusshand genommen werden, wenn sie sich weg bewerben.

Gegensteuern

Welche Vorschläge machen die genannten Studien, wie Unternehmen gegensteuern können?
* Führungskräfte sind eine wichtige Stellschraube. Leisten sie einer Arbeitskultur Vorschub, in der Verfügbarkeit rund um die Uhr gefordert wird?
* Unter dem Schlagwort „Mindful Leadership“ wird diskutiert, dass gute Führungskräfte u.a. selbstreflexiv und kommunikationsstark sein müssen und auch mit den Gefühlen ihrer Mitarbeiter*innen adäquat umgehen können müssen
* Unternehmen sind gut beraten, interne oder externe Beratungskompetenz zu nutzen – in Form betrieblicher Sozialberatung, Supervision und Coaching
* Es gilt, den Wandel durch die Digitalisierung gut im Blick zu behalten. Homeoffice und remote arbeiten birgt viele Chancen; wichtig ist es gleichzeitig, für gute Anbindung und Kommunikation zu sorgen
* Nötig sind gesunde Arbeitsprozesse und eine wertschätzende Unternehmenskultur – Yoga-Kurse sind nett, aber letztlich nur Trostpflaster, so die Whatsnext-Studie
* Der jüngeren Generation sind flexible Arbeitszeiten und Zeitsouveränität wichtig.

Eine große Herausforderung wird es für die Unternehmen sein, wie sie gleichzeitig gut mit den Bedürfnissen ihrer Arbeitnehmer*innen umgehen können, ohne dass sie zusätzliche Mitarbeiter*innen „backen“ können, die Entlastung bringen. Oft ist der gute Wille da, aber die Leitenden wissen selbst nicht, wie die Arbeit gestemmt werden soll, wenn es an denen fehlt, die sie machen können.

Es bleibt spannend. Denn sicher werden in den nächsten Jahren weitere Herausforderungen auf uns zukommen: Die geburtenstarken Jahrgänge werden in Rente gehen; Umwelt-Themen werden sich noch viel deutlicher in ihrer Brisanz zeigen und uns Umstellungen abverlangen; wie die Weltwirtschaft auf diese Verwerfungen reagiert, bleibt abzuwarten. Wir alle sind gut beraten, unsere Resilienz zu stärken: unsere Fähigkeit, mit Krisen umzugehen und auch angesichts all dieser Herausforderungen optimistisch, tatkräftig und ausgeglichen zu bleiben.

 

Zitierte Studien

https://business.calm.com/2023-workplace-mental-health-trends-report-the-future-of-work/

https://www.tk.de/resource/blob/2145756/3005523ae7a54b38cbdd7445021cdb11/studie–whatsnext-2023-data.pdf

https://www.horizont.net/marketing/nachrichten/wechselwilligkeit-darum-ist-die-genz-permanent-auf-jobsuche-211176?xing_share=news