Sie haben eine Idee. Vielleicht ist sie super, vielleicht auch nicht. Noch gibt es in Ihnen beide Seiten: Begeisterung und Einwände. Sie sind hin und her gerissen. Am liebsten würden Sie mit Leuten über Ihre Idee sprechen. Aber Ihre Befürchtung ist, dass Ihre Idee Ihnen ausgeredet oder schlimmer noch in der Luft zerrissen wird. Mit wem können Sie sprechen und sicher sein, dass Ihnen die Rückmeldungen helfen werden?
Ist es nicht wichtig, dass andere Ihnen sagen, was Blödsinn an Ihrer Idee ist? Ist es nicht sogar besser, wenn Ihre Lieben um Sie herum, Ihnen etwas ausreden, das Sie nur Zeit und Energie kostet, aber vielleicht nicht zum Erfolg führt?
Ja, konstruktive Kritik ist super-hilfreich. Doch was unterscheidet Kritik, die hilfreich ist von Rückmeldungen, die Sie eher zurückwerfen?
1. Frage Welche Einladung sprechen Sie überhaupt aus? Was brauchen Sie gerade?
Möchten Sie Ihre Idee erzählen oder möchten Sie die Meinung Ihres Gegenübers hören? Sind Sie gerade begeistert und wünschen sich einen Gesprächspartner, der sich mit Ihnen freut? Oder sind Sie selbst skeptisch und suchen jemanden, mit dem Sie das Für und Wider Ihres Vorhabens besprechen können?
Oft geht es Ihnen vermutlich nicht automatisch darum, die Meinung Anderer zu hören. Manchmal möchten Sie nur los sprudeln und Ihre Idee teilen. Sie möchten aussprechen, was Sie denken. Im Reden wird Ihnen Vieles von alleine bewusst und Sie spüren, was Sie fühlen und wie Sie zu der Sache stehen.
Ein guter Gesprächspartner ist an dieser Stelle einer, der aufmerksam zuhört, der ernsthaft interessiert ist an Ihnen und der durch Rückfragen signalisiert, dass er Sie verstehen möchte. Indem Sie seine Fragen beantworten, wie Sie sich das genau vorstellen, was Sie planen, was Sie noch nicht wissen und was jetzt dran ist, wird Ihnen selbst klar, wo Sie gerade stehen.
2. Wertschätzung ist das A & O
Ein Gespräch, das Ihnen gut tut, ist eines, in dem Sie sich wohl fühlen. Auch wenn Ihre Idee Schwächen hat – Sie wollen sich nicht blöd fühlen, weil Sie irgendetwas nicht bedacht haben. Sie reden ja vielleicht gerade mit Ihrem Gegenüber, weil Sie auch selbst Schwachstellen an Ihrer Idee sehen. Sie wünschen sich, dass jemand Sie da abholt, wo Sie gerade stehen.
Ein guter Gesprächspartner ist einer, der Ihnen mit grundlegender Wertschätzung begegnet – sowohl Ihrer Person, Ihrer Idee als auch Ihren Absichten gegenüber.
3. Kritik üben will gelernt sein
Was ist, wenn Sie auch über Kritisches sprechen wollen? Wie soll die Kritik „verpackt“ sein, damit sie hilfreich ist? Augen zu und durch? Behutsam und mit Samthandschuhen?
Je nachdem, wie Ihr Verhältnis zu Ihrem Gesprächspartner ist, sind Sie vermutlich mehr oder weniger empfindlich. Wenn Sie sich sehr geschätzt fühlen und insgesamt selbstbewusst sind, verkraften Sie sicher mehr Klarheit und Direktheit, als wenn die Situation ohnehin angespannt ist und Sie sich unsicher fühlen. Je wichtiger Ihnen die Sache ist, desto empfindlicher sind Sie vermutlich. Am Anfang eines Prozesses, wenn Sie noch mit niemandem gesprochen haben, sind kritische Rückmeldungen ebenfalls heikler als wenn der Prozess weiter fortgeschritten ist und der Stand der Dinge Ihnen ein Stück weit Recht gibt. Was kann Ihr Gegenüber tun, um es Ihnen leicht zu machen?
Erster Tipp für gute Feedback-Geber: Auf die Dosis kommt es an. Kritische Rückmeldungen auf Basis grundlegender Wertschätzung sind grundsätzlich erheblich leichter zu schlucken als wenn Sie nicht wissen, wie Ihr Gesprächspartner überhaupt zu Ihnen steht. Derjenige, der ein kritisches Feedback bekommt, hört immer auf mehreren Ebenen zu: Einerseits wird er oder sie auf der Sachebene prüfen, wie stichhaltig die Gegenargumente sind. Andererseits aber wird er/sie auf der Beziehungsebene prüfen, wie es sich anfühlt, das zu hören. Wenn die Beziehung von Wertschätzung getragen ist, wenn das Positive der Idee erst gewürdigt wurde und das Kritische im Verhältnis kleineren Raum einnimmt, ist es deutlich einfacher, das kritische Feedback anzunehmen.
4. Ein guter Gesprächspartner zerbricht sich IHREN Kopf
Es kann ungeheuer ermüdend sein, wenn jemand mit Ihnen zwar über Ihre Idee spricht, aber nicht über das, worüber Sie sprechen wollen. Viele Menschen haben die Angewohnheit, im Gespräch frei zu assoziieren. Ihnen fällt eine Geschichte ein, die sie unlängst erlebt haben und die super zu dem passt, was Sie gerade erzählt haben (das finden Sie zwar nicht, aber Sie sind ja höflich….). Oder sie fangen an alle möglichen Themen anzusprechen, die irgendwie auch mit Ihrer Idee verbunden sind, nur sind das alles Dinge, die Sie innerlich schon längst abgearbeitet haben. Statt dass Sie über das sprechen können, was Sie wirklich bewegt, beantworten Sie brav Fragen. Weiter bringt Sie ein solches Gespräch nicht.
Oder Ihre Gesprächspartner warten mit Tipps und guten Ratschlägen auf. Diese können inhaltlich sogar hilfreich sein. Die Gefahr ist, dass sie am falschen Punkt ansetzen, wenn sich Ihr Gesprächspartner nicht vorher die Mühe gemacht hat, zu verstehen, was genau Ihre Frage und Ihr Problem ist.
5. Gute Zuhören will gelernt sein
Gut zuhören klingt so einfach. Man muss doch nur die Ohren aufmachen und zuhören. Banal, oder?
Gutes Zuhören ist viel mehr als das. Gutes Zuhören ist für mich eine Kunst, die man immer wieder üben muss.
Wirklich gehört fühlen sich Menschen meiner Erfahrung nach:
* wenn Sie durch Laute, Kopfnicken, Rückfragen usw. Anteilnahme und Interesse signalisieren
* wenn Sie auch zwischen den Zeilen Gesagtes hören, Angedeutetes, Wesentliches, das nur anklingt
* wenn Sie signalisieren, das Sie gut zugehört und auch verstanden haben, was Ihnen Ihr Gegenüber sagt – und zwar indem Sie zwischendurch wesentliche Passagen noch mal in eigenen Worten zusammenfassen
* wenn Sie nicht nur die sachliche Seite des Gesagten erfassen, sondern auch die emotionale Bedeutung verstehen, die das Gesagte für den Sprechenden hat
* wenn Sie signalisieren, dass Sie verstanden haben, was für den Sprecher auf welche Weise wichtig ist, d.h. auf Wichtiges reagieren und nicht auf nebensächliche Kleinigkeiten
* und am kostbarsten ist Zuhören dann, wenn Ihnen mit solcher Aufmerksamkeit zugehört wird, dass jemand hört, was Sie nur andeuten können, was Ihnen bisher nur halb bewusst war, wenn jemand verknüpfen kann, was er über Sie weiß, was Sie non-verbal ausdrücken, was Sie heute sagen und Ihnen spiegeln kann, was er an Ihnen wahr nimmt.
6. Assoziationen und Gedanken Ihres Gegenübers
Wirklich hilfreich sind Rückmeldungen Ihres Gesprächspartners dann, wenn er verstanden hat, was Ihre Frage und Ihr Anliegen ist und Ihnen spiegeln kann, was er bei Ihnen hört und wahrnimmt oder aus dem eigenen Erfahrungshorizont zu diesen Punkten konstruktive Hinweise geben kann. Sofern Sie gemeinsam an einem Punkt angelangt sind, wo Sie genügend Raum hatten, Ihre Gedanken auszubreiten, weiß er nun genau, Ihr Problem ist. Wie wunderbar, wenn er dazu etwas Inhaltliches beitragen kann oder Ihnen nun einen Tipp gibt, der Sie weiter bringt – oder einfach nur versteht, was gerade für Sie bedeutsam, schwierig oder schön ist.
Das mit der ‚guten‘ Kritik ist wirklich so eine Sache – eines der zentralen Themen, die mir immer wieder in meiner Arbeit mit kreativen Menschen begegnet.
Ich glaube, dass die Frage, welche Art von Kritik gerade hilfreich ist, sehr von der Persönlichkeit des jeweiligen Menschen und der Thematik abhängt. Eines habe ich von meinen Künstlern gelernt:
Nicht ernst gemeintes, positives Feedback istfast genauso schädlich wie ein richtig bösartiger Verriss.
Viele Grüße,
Marie
Hallo Marie,
danke für den Beitrag: Ich gebe Dir recht, wenn Feedback positiv, aber nicht authentisch ist, kann das harmlos sein – wenn es um Unwesentliches geht – aber in wichtigen Fragen kann es sehr schwierig sein. Gerade bei Künstlern, die etwas entwickeln und noch nicht wissen, ob das dann auf der Bühne oder in einer Auftrittssituation Bestand hat, ist es in der Entwicklungsphase auch wichtig zu hören, wenn etwas noch nicht stimmig ist. Daran wachsen Projekte.
Herzliche Grüße
Astrid