Selbständigkeit heisst neue Wege gehen
Selbständigkeit bedeutet, Wege als erster zu gehen. Nichts ist vorgezeichnet. Nichts von anderen vorgegeben. Das ist spannend und aufregend. Es bedeutet jedoch auch, sich ständig zu fragen, was jetzt dran ist und was das Richtige ist. Leider ist es häufig gar nicht so einfach heraus zu finden, was das Richtige ist.
Das Schiff Selbständigkeit fährt nicht von alleine – es braucht einen Kapitän bzw. eine Kapitänin. Und nur selten fährt man Kanäle entlang, die schnurgerade geradeaus führen. Stets gibt es viele Möglichkeiten, links und rechts abzubiegen.
Schon zu Beginn der Selbständigkeit gilt es, große Richtungsentscheidungen zu fällen. Wie sollen Logo und Webseite aussehen? Was genau ist Ihr Angebot? Wen sprechen Sie wie an? Wo präsentieren Sie sich?
Doch auch wenn mit den Jahren das Schiff Ihrer Selbständigkeit immer größer geworden ist und Sie vieles, das sich GründerInnen fragen, geklärt haben, tuckert Ihr Schiff vermutlich nur selten langsam und gemütlich durch ruhige Gewässer. Mal gibt es Herausforderungen von außen, die Sie aufscheuchen und dazu zwingen, die Fahrt neu auszurichten: Aufträge brechen weg, Rahmenbedingungen und Märkte ändern sich, Kunden gehen oder es kommen neue hinzu.
Oder es sind innere Prozesse, die Veränderungen bringen: Sie merken, dass Sie Schwerpunkte neu setzen wollen. Das eine macht Ihnen mehr, das andere weniger Freude. Sie haben Lust auf neue Projekte….So oder so – Sie sind gezwungen, den Kurs Ihres Handelns ständig neu zu bestimmen.
Die Freiheit, gestalten zu können, ist etwas Wunderbares und eine der attraktivsten Seiten der Selbständigkeit. Sie KÖNNEN sich fragen, wo Sie Schwerpunkte legen wollen. Sie KÖNNEN Aufträge ablehnen. Sie KÖNNEN sich überlegen, wohin Ihre Reise gehen soll.
Leider MÜSSEN Sie auch.
Wenn Sie etwas erreichen wollen, müssen Sie selbst herausfinden, wie das geht. Nirgendwo gibt es Lehrbücher, die den nächsten Schritt genau kennen. Natürlich können Sie sich Rat holen. Es gibt hervorragende Bücher. Sie können studieren, wie andere vor Ihnen Schritte gegangen sind. Sie können von anderen lernen. Aber was Sie jetzt genau tun sollen, kann Ihnen häufig niemand von außen sagen.
Sie können zwar lernen, wie Wege gehen könnten. Aber ob die gleichen Schritte für Sie richtig sind und bei Ihnen funktionieren werden, steht schlicht nicht fest. Sie können es nur ausprobieren. Und feststellen, was für Sie selbst stimmt.
HINTERHER können Sie verraten, wie es bei Ihnen funktioniert hat. Sie wissen, was nicht geklappt hat. Sie wissen dann vermutlich auch, warum es nicht geklappt hat. Vielleicht sogar, warum es so gar nicht klappen konnte. VORHER wissen Sie das leider manchmal nicht. Wer würde sonst schon sehenden Auges etwas tun, was gar nicht funktionieren kann.
Deshalb gibt es nicht nur erfolgreiche Wege. Selbständig sein ist eine Reise des Überlegens und Ausprobierens. Das theoretische Wissen darüber bedeutet aber nicht, dass das praktisch immer leicht auszuhalten wäre.
Mit der Unklarheit und zeitweisen Unsicherheit gilt es leben zu lernen. Natürlich können Sie versuchen, möglichst lange rund um den Heimathafen zu schippern und nur das tun, was schon immer funktionierte. Doch mangelnde Wandlungsfähigkeit ist nicht gerade das Erfolgsgeheimnis Nummer 1 für Selbständige. Es gilt, offen zu bleiben für Veränderungen, will man nicht wichtige Entwicklungen verschlafen.
Die Aufregung, die es mit sich bringt, wenn man unbekannte Gewässer ansteuert, kann wunderbar sein, wenn Sie sich zugestehen können, dass Sie Fehler machen dürfen. Wenn Sie vorher wissen, dass Sie rumprobieren müssen, was funktioniert. Wenn Sie Strategien kennen, mit Ihren Gefühlen von Unsicherheit umzugehen.
Dabei geht es darum, nicht erst loszugehen, wenn alles klar ist. Oder überhaupt nicht loszugehen, weil nicht alles klar ist. Sondern sich Schritt für Schritt den neuen Weg zu erschließen. Selbst herauszufinden, wie es geht.
Martin Walser hat dies wunderbar auf den Punkt gebracht – und nicht von ungefähr habe ich dieses Gedicht durch eine Gründerin kennen gelernt:
„Man muss nur den nächsten Schritt tun“
Mehr als den nächsten Schritt
kann man nämlich überhaupt nicht tun.
Der nächste Schritt ist nämlich
nie ein großes Problem. Man
weiß ihn genau. Eine andere
Sache ist, dass er gefährlich
werden kann. Nicht sehr
gefährlich. Aber ein bisschen
gefährlich kann auch der fällige
nächste Schritt werden.
Aber wenn du ihn tust, brichst
du nicht zusammen, sondern
fühlst dich gestärkt. Gerade das
Erlebnis, dass du einen Schritt
tust, den du dir nicht zugetraut
hast, gibt dir ein Gefühl von
Stärke. Es gibt nicht nur die
Gefahr, dass du zuviel riskierst,
es gibt auch die Gefahr, dass du
zuwenig riskierst.
Dem Gehenden schiebt sich der
Weg unter die Füße.