Wenn die Lust Pause macht
Ich liebe meine Arbeit und halte mich für privilegiert, so einen tollen Job zu haben. Und dennoch: Manchmal habe ich einfach keine Lust. Ich möchte ausbrechen, weglaufen, die Seele baumeln lassen. Am liebsten würde ich schwimmen gehen, einen Stadtbummel machen. Oder einfach im Bett bleiben. Genüsslich mit einer Tasse Kaffee und einem guten Buch. Decke über den Kopf. Ich bin heute nicht da.
Was nun? Erstmal Innenschau. Was ist eigentlich los? Gibt es etwas, wovor ich Angst habe? Was mir Unbehagen bereitet und was ich deshalb meiden möchte? Nein, Fehlanzeige. Das ist es nicht.
Bin ich erschöpft? War’s einfach zu viel in letzter Zeit? Das kenne ich gut von mir. Wenn es in meinem Leben „zu viel des Guten“ gibt, kippt meine Lust. Dann will ich nicht, was ich sonst begeistert tue. Meine Seele zieht die Notbremse und verweigert sich. Lust habe ich dann nur noch auf mich selbst.
Habe ich eigentlich genug Spass gerade? Genug Freizeit, Entspannung, Loslassen, Inspirierendes? Ab und zu braucht es einfach Highlights. Geht alles gemächlich seinen Gang, ohne Aufregung, dahinplätschernd, bin ich auch nicht zufrieden. Privat oder beruflich möchte ich manchmal mein Herz pochen fühlen. Ich bin aufgeregt wegen einer beruflichen Herausforderung? In dem Moment wäre ich lieber ruhig und gelassen. Aber wenn solche Augenblicke ausbleiben, fehlt das Salz in der Suppe.
Was könnte ich nun für mich tun? Einfach blau machen? Meine schon vorhandenen Krankheits-Symptome in mir groß werden lassen und mir den Tag im Bett gestatten?
In diesen Situationen meldet sich gerne Hunger. Suchend ziehe ich durchs Haus auf der Suche nach etwas Leckerem. Allein bin ich mit dieser Art der Problembewältigung nicht. Ein Therapeut und Supervisor, der eigentlich sein Gründungskonzept schreiben wollte, klebte irgendwann auf seinen Kühlschrank ein Blatt Papier mit den Worten: „Hier drin ist nicht die Lösung.“
Eine Yogalehrerin sagte dazu in einem Seminar: „Immer wenn ich Lust auf etwas Süßes kriege, frage ich mich, ob mein Leben gerade genug Süße hat.“ Genau! Schokolade ist nett, aber worum geht es wirklich?
Nicht mein Körper will Nahrung, sondern meine Seele. Sie weiß genau, was sie braucht – und ihr Anzeiger dafür ist Lust. Wirklich dran ist das, worauf ich Lust habe und meine Lustlosigkeit ist mir Hinweis, wieder mehr nach Lustvollem Ausschau zu halten: nach freien Räumen, schönen Erlebnissen und inspirierenden Projekten.
Einen Ausflug machen? Die Seele baumeln lassen?
Für den Moment hilft mir ein Trick: Ich erlaube mir, das zu tun, was von meinen Pflichten am angenehmsten ist. Dann hat meine Lust wenigstens diese Spielwiese. Komme ich durch das Tun in Bewegung, ist oft auch der Rest nicht mehr so arg.
Verlass ist auf meine Kunden. Auf sie habe ich immer Lust. Bringt ein Mensch etwas mit, das für ihn wichtig ist, ist es für mich wichtig, mit ihm darüber zu sprechen. Zäh ist der Schreibtisch-Kram. Um ihn möchte ich ab und an am liebsten drücken. Aber es hilft ja nix Irgendwann muss auch das gemacht werden. Aber gerade jetzt? Könnte ich mich nicht einmal davon kommen lassen? Und beispielsweise etwas Nettes tun – nämlich diesen Blog schreiben….?