Konstruktive Kritik ist nützlich

Wenn wir etwas Neues machen, wünschen wir uns Menschen, die an uns glauben und die uns helfen, die schwierige Situation zu bewältigen. Es ist ungeheuer wohltuend, wenn andere Menschen uns Mut zusprechen. Am besten tun uns diejenigen, die nicht einfach unkritisch zu allem „Ja und Amen“ sagen, sondern diejenigen, die uns differenziert Rückmeldungen geben. D.h. sie sagen uns, wo wir noch Hand anlegen müssen, was noch verbessert werden sollte – auf Basis einer uneingeschränkt positiven Grundhaltung im Gesamten uns und unserem Projekt gegenüber.

Negative Empathie

In der Realität aber treffen wir häufig auf Menschen, die uns genau das sagen, was wir NICHT hören wollen, und die die Zweifler in unserem Inneren noch bestärken. Fürchten wir insgeheim, dass unsere nicht Idee gut genug ist, um am Markt zu bestehen, treffen wir auf jemanden, der sagt: „Ich weiß ja nicht, ob man das verkaufen kann….“ Sagt unser innerer Kritiker, dass wir evtl. nicht genügend Kompetenzen haben für das, was wir uns vorgenommen haben, sagt ein Bekannter: „Muss man dafür nicht eine extra Ausbildung machen? Hast Du die denn?“ Ich nenne das negative Empathie – Menschen spüren, wo unserer innerer Haken ist. Aber statt uns zu ermutigen, gießen sie noch Öl auf unsere inneren Zweifel.

Warum sagen uns andere häufig genau das, was wir nicht hören wollen?

Wer etwas Neues macht, wer sich selbständig macht, wer Kreatives in die Welt bringt, kann sicher sein, Kritik zu begegnen. Am schönsten wäre es natürlich, wenn Du begeistertes Feedback ernten würdet. Insgeheim wünschst Du Dir, dass die anderen enthusiastisch sind, wenn Du von Deinen Ideen erzählst. Du willst nicht, dass man Dir Honig um den Bart schmiert. Du möchtest ehrliche Rückmeldungen. Aber es wäre toll, wenn die anderen Dich ermutigen und das Potential Deiner Ideen sehen würden.

Warum geht das so oft schief? Warum ernten wir so oft Skepsis, wenn wir etwas Neues wagen?

Hast Du eine Schafherde?

Vor einigen Jahren haben wir unseren Hund gekauft. Meine Tochter wollte unbedingt einen Australian Shepherd – ich war unsicher. Überall konnte man lesen, dass diese Hunderasse sehr viel Auslauf und Beschäftigung braucht. Training, Kopfarbeit, Agility…. – ich hatte Zweifel, ob Job und Hund vereinbar sind.

Wir haben den Hund gekauft und liefen stolz mit unserem Welpen durch die Gegend. Alle fanden sie bezaubernd. Und jeder fragte:  „Hast Du Dir das auch gut überlegt? Das ist doch diese Hunderasse, die so viel Beschäftigung braucht.“ Die einen fragten amüsiert-kritisch: „Und? Hast Du eine Schafherde?“ Die anderen warnten mich eindringlich, wie viele verhaltensgestörte Australian Shepherds mittlerweile wieder abgegeben werden, weil ihre Besitzer nicht mit ihnen fertig werden.

Natürlich war das alles Wasser auf meine Mühlen….  Das waren doch genau meine eigenen Befürchtungen. Und unser Welpe war wirklich quirlig und übermütig. Die ersten Tage waren voller Zweifel, dass wir die falsche Entscheidung getroffen haben. Ich ging eifrig in die Hundeschule, buchte Einzeltrainings und löcherte die Trainerin mit meinen Fragen und Sorgen.

Mittlerweile werde ich immer noch ab und ab gefragt, ob ich eine Schafherde habe, und immer noch sagt fast jeder, „Das ist doch diese Hunderasse, die so viel Beschäftigung braucht“. Der Unterschied: ICH bin heute tiefen-entspannt. Wir haben einen tollen Hund, der auch nicht andere Bedürfnisse hat als jeder andere gesunde Hund – ein vernünftiges Maß an Beschäftigung und Auslauf. Aber eben so wie jeder andere Hund. Die ganzen Einwände und Fragen, ob ich dauernd Agility mache und ob das nicht diese Hunde sind, die so viel Beschäftigung brauchen und ob ich eine Schafherde habe, pariere ich souverän….

Fazit?

Kritik kann Dich nur erreichen, wenn sie auf einen Nerv in Dir trifft

Bist Du von einer Sache hundertprozentig überzeugt, kann Dir  Kritik von außen nichts anhaben. Da ist keine Pore in Dir, in die Kritik eindringen könnte. Kommt Kritik, kannst Du sie parieren. Du kannst Deine Sache vertreten.  Du bist begeistert. Du bist überzeugt und damit überzeugend.

Kritik von außen wird machtvoll erst dadurch, dass ein Teil von Dir  ihr Recht gibt. Selbst wenn ein Kritiker massiv ist oder alle übereinstimmen, dass das Quatsch ist, was Du vorhast – wenn Du sicher bist, dass Du auf dem richtigen Weg bist, wird Dich das irritieren, aber nicht beirren.

Zugegeben, so viel Gegenwind macht es nicht leicht, überzeugt zu bleiben. Sicher ist es auch ratsam, die eigenen Ideen nochmal zu überprüfen, wenn Du auf so viel Gegenwehr triffst – es könnte ja auch was dran sein…. Nichtsdestotrotz: Bleibst Du stur und Deiner Sache sicher, läuft die Kritik ins Leere. Es braucht Ohren, die sie hören wollen.

Aber wer ist sich schon sicher, wenn er Neues wagt?

Wenn Du etwas Neues tust, dann weißt Du nicht, ob es Dir gelingen wird. Du hoffst es. Du bist Dir im besten Falle ziemlich sicher. Genauso normal aber ist es, nervös und unsicher zu sein, denn Du weißt ja selbst nicht, ob es klappen wird, wenn Du etwas zum ersten Mal wagst. Und wahrscheinlich bist Du selbst in einer Entwicklungsphase  voll von kritischen Stimmen und Zweifeln.

Viele Menschen spüren Ambivalenz

Genau darin liegt die Krux – wir begegnen unserer Umwelt und hätten so gerne Bestätigung, um uns gegen die inneren kritischen Stimmen behaupten zu können. Ungewollt aber strahlen wir unsere eigene Ambivalenz nach außen ab. Wenn wir von unserer Idee überzeugt sind, argumentieren wir ganz anders, treten fest und klar auf – und viele Einwände kommen dann gar nicht erst. Wenn wir hingegen unsicher sind, erzählen wir schon fragend, wir formulieren ungewollt selbst das Negative/Fragwürdige unserer Idee oder unsere Körpersprache erzählt von unseren Zweifeln.

Hinzu kommt, dass wir Einwände, wenn wir uns unserer Sache sicher sind, einfach hinweg fegen oder souverän parieren können. So souverän, dass uns häufig nicht einmal mehr auffällt, dass sie gekommen sind. Treffen Gegen-Argumente aber auf eigene innere wunde Punkte, formulieren sie einfach nur unsere eigenen inneren Befürchtungen. Das schmerzt dann umso mehr. Dem haben wir gerade nämlich nicht viel entgegen zu setzen.

Was also tun?

Mit niemandem sprechen in dieser heiklen Phase? Das bringt Dich auch um positives Feedback und konstruktive Rückmeldungen. Wichtig ist es eher, gut zu schauen, mit wem Du wann sprichst. Wer ist Dir wohlgesonnen und steht dem, was Du vorhast, grundsätzlich positiv gegenüber? Das muss nicht heißen, dass hier keine Einwände kommen – sofern sie getragen sind von einer wertschätzenden Grundhaltung, sind Hinweise ja gut und nützlich. Nur Menschen, die schon mal prinzipiell das Gute der Idee gar nicht würdigen können oder noch ängstlicher sind als Du selbst, helfen Dir nicht weiter.

Es gilt zu unterscheiden:

  • Wer hat zwar keine Ahnung, ermutigt Dich aber und unterstützt Dich, Deinen Weg zu gehen?
  • Wer ist prinzipiell immer auf Deiner Seite und einfach emotional da?
  • Wer ist eigentlich immer erstmal gegen das, was Du tust – und erst zu überzeugen, wenn der Erfolg eigentlich schon da ist?
  • Wer muss mühsam überzeugt werden, ist aber wichtig in Ihrem Leben?
  • Wer ist gerade an einer ähnlichen Stelle, so dass Du wunderbar beide Seiten – die positiven wie die negativen – diskutieren kannst?
  • Wer hat Ahnung von der Sache, ist vielleicht kein leichter Gesprächspartner, aber wichtig wegen seiner fachlich-sachlichen Beiträge?

Kleine Pflänzchen brauchen Dünger.
grosse überstehen auch Stürme

In einer frühen Phase kann es wichtig sein, erstmal nur mit denen zu sprechen, die Dir ermöglichen, überhaupt weiter zu denken. Ungemütlich, aber wichtig sind diejenigen, die wichtige Sachbeiträge zu liefern haben. Für die eigene Seelenhygiene kann es ratsam sein, die  ewigen Skeptikern erstmal außen vorzuhalten. Gehören sie zur Familie oder zum engen Freundeskreis, muss man sie vielleicht eine Weile mit vagen Äußerungen abspeisen, bis Du so klar bist, dass ihre Kritik Dich nicht mehr umpustet. Auf alle Fälle hilfreich: Ein Kreis von Mitstreitern, die an einer ähnlichen Stelle sind wie Du – sie verstehen am besten, wie es Dir gerade geht.

Deutsche Konflikt-Kultur

Leider pflegen wir Deutschen tendenziell eine schwierige Konflikt-Kultur. Sich Negatives ungefiltert an den Kopf zu werfen, gilt bei Vielen als Ehrlichkeit. Viele haben gar nicht gelernt, Kritik wertschätzend auszudrücken. Bei internationalen Wissenschaftlern und in internationalen Teams sind wir Deutschen nicht besonders beliebt, weil wir so unverblümt auf dem rumhacken, was nicht gut ist – und so wenig würdigen, was gelungen und gut ist. Legitim ist es, sich gegen solche Kritik zu verwahren und darauf hinzuweisen, dass Kritik in der Sache willkommen ist – aber der Ton die Musik macht.

Wertvolle Kritik

Gold wert ist Kritik, wenn sich jemand die Mühe macht, Deine Absichten ernst zu nehmen und sich dann konstruktiv mit Deinen Ideen und Plänen auseinander setzt. Dann hast Du jemanden, mit dem Du Deine Gedanken teilen kannst, der Dich auf Schwachpunkte aufmerksam macht, der Dir hilft, wirklich weiter zu kommen. Sicherlich sind Deine Ideen am Anfang z.T. unausgereift. Und auch in späteren Phasen kann es immer wieder passieren, dass Du Wichtiges übersiehst. Kleine Details können sich verheerend auswirken, die Du aus Mangel an Erfahrung nicht im Blick hast. Experten, Menschen mit eigenen Erfahrungen, wohlmeinende Freunde, Kollegen – sie alle können wichtige Hinweise liefern, die Dir helfen, Deine Pläne zu vervollkommnen.

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